Die wohl längste Auswärtsfahrt der Welt
Letzten Sonntag, am 19.3.2017, traf Baltika Kaliningrad in der zweiten Russischen Liga zuhause auf Luch-Energiya Vladivostok. Ein Duell welches nicht gerade für ausserordentlich guten Fussball bekannt ist. Trotzdem ist das Spiel sehr speziell und das nicht, weil es ein Derby ist – das Gegenteil ist der Fall. Die Stadt Kalingrad liegt in einer Russischen Enklave, welche sich an der Ostsee zwischen Litauen und Polen befindet. Vladivostok hingegen liegt an der Küste des pazifischen Ozeans, nahe der Russischen Grenze zu China und Nordkorea.
Ein paar Zahlen und Fakten
Die Strecke zwischen den beiden Städten beträgt unglaubliche 10’328km, das ist ein Viertel des gesamten Erdumfanges! Die Reise mit dem Zug dauert ganze 7 Tage und zwei Stunden – pro Weg! Die Mannschaft von Vladivostok wird wohl per Flugzeug gereist sein, doch auch das dauert mehr als zehn Stunden. Doch nicht nur die Reisestrapazen dürfte für die Spieler eine Herausforderung sein, denn wenn die Spieler erst einmal angekommen sind, müssen sie immer noch den sogenannten Jetlag verdauen. Zwischen Kalingrad und Vladivostok herrscht nämlich ein Zeitunterschied von ganzen acht Stunden. Zur Verdeutlichung – derselbe Zeitunterschied herrscht zwischen Los Angeles und Zürich, nur liegen Kalingrad und Vladivostok im gleichen Land. Die ganze Reise wurde für ein Fussballspiel hingelegt, welches dann 0-0 endete.
Grosse Distanzen – keine Seltenheit für Luch-Energiya
Die meisten Teams aus der Russischen Liga kommen aus dem Westen des Landes, was für Vladivostok nicht nur die Auswärtsfahrt nach Kalingrad extrem lange macht, denn beispielsweise auch nach Moskau dauert es mit dem Flugzeug mehr als acht Stunden. Deswegen ist es kein Wunder, dass Vladivostok nicht nur Freunde im Russischen Fussball hat. So meinte Igor Akinfeev, Torhüter von CSKA Moskau, dass Vladivostok in der Japanischen Liga spielen sollte, als der Verein noch in der höchsten Liga Russlands vertreten war. Ganz so abwegig ist der Gedanke gar nicht, denn Luch-Energiya hat die Saisonvorbereitung auch schon öfter in Südkorea absolviert. Die Partie gegen Khabarovsk wird oft als Derby betrachtet, dabei liegen auch diese Städte mehr als 700km auseinander und die Fahrt mit dem Zug dauert ganze 13 Stunden. Immerhin müssen die Spieler nur 1.5 Stunden fliegen, für Vladivostok die mit Abstand kürzeste Auswärtsfahrt.
Wie stark ist Vladivostok zuhause?
Die Vermutung liegt nahe, dass Vladivostok zuhause klar besser spielt als auswärts, doch ist dies auch der Fall? Die auf den ersten Blick eher erstaunliche Antwort lautet nein. In der laufenden Saison hat Vladivostok zuhause und auswärts je 17 Punkte geholt. Für die Heimtabelle reicht das nur für den 16. Platz, während man auf der Auswärtstabelle auf Platz 8 rangiert. Es lässt sich also gar sagen, dass Vladivostok auswärts stärker auftritt. In den vorherigen Spielzeiten sahen die Statistiken ähnlich aus. Der Mythos, dass Luch-Energiya Vladivostok aufgrund der grossen Distanzen heimstark ist, kann also definitiv widerlegt werden.
Wieso ist Luch-Energiya an Heimspielen nicht erfolgreicher?
Genau Gründe können natürlich nicht geliefert werden, allerdings gibt es Indizien wieso Vladivostok zuhause gar nicht so stark spielt. Sergei Pavlov, der Trainer von Luch-Energiya meinte einst in einem Interview, dass die Mannschaft ungefähr zwei Tage braucht um sich vor einem Spiel in Moskau an die Zeitumstellung zu gewöhnen. Nach dem Rückflug in die Heimat braucht die Mannschaft hingegen rund eine Woche um sich wieder zu akklimatisieren, da ganze sieben Stunden verloren gehen. Bekanntlich ist nach dem Spiel auch immer vor dem Spiel und wenn man eine Woche benötigt um sich zu akklimatisieren, bleibt nicht viel Zeit um sich auf das nächste Spiel vorzubereiten. Hinzu kommt, dass die extrem lange Reise in den Osten Russlands für die meisten Teams während einer Saison eine einmalige Sache ist. Die Spieler von Luch-Energiya pendeln die riesige Distanz jedoch Woche für Woche, was mit der Zeit natürlich extrem belastend wird. Sergei Pavlov meint dazu, dass sein Team durch die extremen Distanzen auch zuhause keinen Vorteil hat, im Gegenteil.
Sie dachten immer die Auswärtsfahrt nach Genf dauert lange? Jetzt wissen Sie es besser!